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„Es war einmal … MÄRCHEN UND DEMENZ“ – digitale Weiterbildung als Märchenerzähler*in

Im November vergangenen Jahres startete die durch die AOK PLUS, KNAPPSCHAFT und IKK classic gemeinschaftlich geförderte Präventionsmaßnahme „Es war einmal … MÄRCHEN UND DEMENZ“, unter dem Dach der Landesrahmenvereinbarung. Für die Teilnahme konnten sich stationäre und teilstationäre Pflegeeinrichtungen aus Sachsen bewerben. Aus zahlreichen Bewerbungen wurden 25 Einrichtungen ausgewählt.

Die 25 Einrichtungen (zum Vergrößern bitte auf die Karte klicken) © Google Maps

 

Die anfänglich geplante Umsetzung musste, bedingt durch die Coronapandemie, abgeändert werden. So war es leider nicht mehr möglich, dass die Märchenstunden direkt in den Einrichtungen mit professionellen Märchenerzähler*innen durchgeführt werden konnten. Als multimediale Intervention wurden die im Vorfeld professionell aufgezeichneten Märchenstunden digital in die Einrichtungen gebracht. Trotz der geänderten Bedingungen gelang es, zahlreiche Bewohner*innen mit Hilfe von Märchen zu begeistern. Digital ging es für die teilnehmenden Einrichtungen auch im neuen Jahr weiter. In einer Weiterbildung wurde das Personal in Lautsprache, Betonung, Mimik und Gestik geschult, damit auch zukünftig strukturierte und gesundheitsförderliche Märchenstunden für von Demenz betroffene Bewohner*innen in den Einrichtungen durchgeführt werden können. Diese Weiterbildung fand großen Zuspruch unter den Betreuungs- und Pflegekräften. Viel zu schnell waren am Ende die Weiterbildungstage vorüber. Alle teilnehmenden Personen erhielten ein Zertifikat zum/zur  professionellen Märchenerzähler*in. Viele Einrichtungen äußerten ihre Freude, dass sie dabei sein konnten. Zahlreiche Ideen wurden in der Projektzeit gesammelt, damit die Märchen auch weiterhin in den Einrichtungen gelebt werden.

Alle teilnehmenden Einrichtungen haben, jede für sich, unterschiedliche Erlebnisse in der Projektzeit sammeln können. Zwei dieser Einrichtungen schilderten im April 2021, beim Treffen des projektbezogenen Steuerkreises, ihre ganz persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse. Es berichten Frau Lierath, Leiterin der sozialen Betreuung im Seniorenhaus „Albert Schweitzer“ der Diakonie Meißen und Frau Krause, Leiterin der Tagespflege Neugersdorf vom Deutschen Roten Kreuz:

Wie waren Ihre Anfänge und Erlebnisse bei der Projektteilnahme?

Frau Lierath: „Am Anfang waren alle etwas skeptisch, aber auch sehr gespannt, was da kommen wird. Zunächst haben wir viel experimentiert und einfach getestet. Wir haben kleine Bewohnergruppen für die Märchenstunden zusammengestellt, jedoch warfen notwendige Auflagen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie alle Ideen vorerst zurück und wir mussten unsere Pläne neu überdenken. Kurz vor Weihnachten konnte es dann in Kleingruppen und bei der Betreuung in den Bewohnerzimmern losgehen. Außerdem wurde ein Märchensessel gekauft, der für den Besuch der „Märchenoma“ erstmals zur Weihnachtszeit im Festsaal genutzt wurde.

Frau Krause:  „In unserer Einrichtung haben wir ein gemischtes Gruppengefüge. Dabei haben wir oftmals auch mit sehr herausforderndem Verhalten von Tagesgästen zu tun. Unser Ziel bei der Projektteilnahme war es, dass wir herausfordernde Verhaltensweisen in unserem Alltag besser bewältigen können. Wir versuchen das mit allen Mitteln, die wir erlernt haben. Das mit den Märchen war dann ein richtiger Schlüssel. Wir konnten zwar nicht so anfangen, wie wir es geplant hatten, da auch bei uns Corona den Alltag durcheinandergewirbelt hat. Leider konnten die Märchenerzähler nicht zu uns kommen. Daher haben wir uns herangewagt, die Märchenvideos in unseren Alltag einzubauen. Einmal die Woche war dann Märchenrunde mit Märchenvideo. Wir haben die Videos und das Thema immer wirken lassen und haben schnell festgestellt, dass das zu Emotionen geführt hat. Die Tagesgäste haben von Erinnerungen erzählt. Die geistig Fitten, wie auch die demenziell Erkrankten. Auch haben wir gemerkt, dass, wenn der Märchenerzähler da war, der mit dem goldenen Umhang und der Märchenglocke, dann waren auch Tagesgäste mit herausforderndem Verhalten ruhiger. Besonders ist uns aufgefallen, dass, wenn Märchentag war, die Gäste insgesamt ruhiger waren. Der ganze Tag war ruhiger. Keiner war so gehetzt von den normalen Abläufen, da wir viele der begleitenden Dinge, wie kognitive Spiele, Gedächtnistraining und Memorys auch nachmittags in den Ablauf einbinden konnten. Normalerweise sind alle nach dem Vespern unruhig und warten darauf, dass der Bus kommt. Das war am Märchentag anders.“

Welche Erfahrungen haben Sie in der Onlineweiterbildung machen können?

Frau Lierath: „Die Schulung im Februar und März war das Beste, was uns passieren konnte. Es hat nochmal alles getoppt, was wir bisher im Projekt erlebt haben. Bis dato war mir nicht bewusst, dass man ‚es war einmal …‘ in gefühlten 38 verschiedenen Varianten sagen kann. Ebenso war bewundernswert, was die eigene Stimme und Haltung beim Durchführenden und Zuhörer Positives auslösen kann. Dank auch an dieser Stelle an unseren Seminarleiter. Ihm ist es mit Witz und Charme gelungen, meine Kolleginnen so zu motivieren und mitzureißen, dass sie sich auf das Schauspielern eingelassen und an Neues getraut haben. Dabei ist viel Selbstvertrauen in der persönlichen Arbeit zur Bewohnerbetreuung gewachsen.“

Frau Krause: „Ich hätte nicht gedacht, dass wir online so viel lernen und ausprobieren können. Durch die Weiterbildung sind auch die Betreuungskräfte wie verzaubert. Sie trauen sich viel mehr und sind kreativer. Uns ist durch die Fortbildung noch mehr bewusst geworden, in welcher Welt demenziell erkrankte Menschen leben. Die Welt ist anders als unsere und darauf müssen wir uns einlassen. So wie im Märchen. Die Sensoren sind anders geworden – sensibler.“

Wie geht es bei Ihnen nach Ablauf des Projektes weiter?

Frau Lierath: „Jeder Mittwoch ist bei uns nun fest geplanter Märchenvormittag mit Märchensessel und Märchenglocke. Gezielt wurden Bewohner mit mittelschwerer und schwerer Demenz gewählt, die nicht nur sichtlich Spaß und Freude an dem Thema haben. Das Schöne und das Zauberhafte sind dabei immer wieder die dankbaren Bewohnerstimmen, wenn diese nach der Märchenstunde zu mir sagen: ‚Sehen wir uns bald wieder? Das war schön.‘ Das ist der Gewinn, den man haben möchte und es tut ja auch uns selbst gut. Mittlerweile trägt sich das Projekt auch zu Angehörigen und Kollegen der Pflege. Viele lassen sich informieren oder tragen selbst mit kleinen Märchensprüchen zum Bewohneralltag bei. Selbst bei Dienstübergaben sind die Märchen zeitweise einbezogen. Wenn es passend ist, beginnen Mitarbeiter schon mal Tagesabläufe zu bereimen und in Sprüche zu verpacken, was den Tag für alle gut starten lässt. Das Thema Märchen und die entsprechenden Erfahrungen tragen sich in unserem Haus ständig im Betreuungsalltag weiter und auch für den Sommer gibt es bereits jetzt schon viele Ideen: ein Froschkönig wird im Garten am Brunnen sitzen, der Bereich des Marktplatzes märchenhaft und zum Ball einladend dekoriert, um dann wieder gemeinsam das Tanzbein zu schwingen.“

Frau Krause: „Durch das Gelernte haben wir jetzt die Möglichkeit, Tagesgästen mit herausfordernden Verhalten, die sonst auch in der Mittagsruhe Unruhe gebracht haben, mit etwas Anderem begegnen zu können. Durch die Methoden und Hilfsmittel sitzt man ganz anders neben ihnen und spricht ganz anders mit ihnen. Wir bleiben dran, auch wenn jetzt erstmal die Gartensaison anbricht. Im Alltag nutzen wir jetzt die kurze Alltagsaktivierung mit Märchen. Aber in der Weihnachtszeit ist jetzt schon geplant, die Märchen wieder aufzuleben zu lassen. Hierzu wollen wir auch den benachbarten Kindergarten einladen, um gemeinsam Märchen zu genießen.“

Noch ein paar Worte zum Schluss?

Frau Lierath: „Das Projekt hat uns allen – Bewohnern wie Mitarbeitern – großen Spaß und Freude bei der Umsetzung bereitet. Danke noch mal, dass wir dabei sein durften.“

Frau Krause: „Wir haben unglaublich viel aus diesem Projekt für uns gewonnen. Es ist bei uns harmonischer geworden.“

Vielen Dank Frau Lierath und Frau Krause für Ihre Offenheit!

Märchenstunde in der Einrichtung © Diakonie Riesa-Großenhain

 

Märchenstunde in der Einrichtung © Diakonie Riesa-Großenhain

Es wurde deutlich: „Durch das Projekt ‚Es war einmal … MÄRCHEN UND DEMENZ‘ konnte die psychische Gesundheit und die Lebensqualität der Bewohner*innen in den teilnehmenden Einrichtungen gestärkt werden. Auch konnten die Mitarbeiter*innen im Pflegealltag positiv entlastet werden. Besonders in diesen pandemiebedingten unruhigen Tagen, sind solche Angebote für die Einrichtungen und deren Bewohner und Beschäftigten umso wichtiger“, betont Johann Große, Projektkoordinator. „Besonders erfreulich ist, dass es durch das Gemeinschaftserlebnis Märchenerzählen gelang, herausforderndes Verhalten von Bewohner*innen mit Demenz zu reduzieren,“ so Große weiter.

Die Wirkung des Projekts wird derzeit evaluiert und anschließend in den Gremien der LRV weiter beraten. Informationen rund um das Projekt finden Sie auf www.maerchenunddemenz.de und auf www.p-sachsen.de/aktuelles/es-war-einmal-maerchen-und-demenz-auftakt-fuer-praeventionsprojekt-in-sachsen/.


weitere Informationen zur Informationsstelle zur Gesundheitsförderung in stationären Pflegeeinrichtungen unter www.p-sachsen.de/wie-p-sachsen-agiert/lebenswelt-stationaere-pflegeeinrichtung


Kontakt:
Johann Große
Informationsstelle zur Gesundheitsförderung in stationären Pflegeeinrichtungen
Telefon: 0351 501936-53
E-Mail: grosse@slfg.de

Arbeitsmaterial und Märchenkoffer © Märchenland
Arbeitsmaterial und Märchenkoffer © Märchenland